Donnerstag, 23. Juni 2016

Die übliche Verspießerung in der Spandauer Vorstadt

Sicherheitskameras in Berlin-Mitte. Hysterische Mieter, die bei jedem unbekannten Gesicht Alarm schlagen.
Ausweiskontrollen für Handwerker.
Beleuchtungszwang für Hinterhöfe. Und Treppenhäuser.
Wie, Sie wagen es, im Neonlichtdunkel der Bars, um neun oder zehn Uhr abends, still durchs Treppenhaus zu steigen. Wehe !
Schade. Warum kommen all die Leute nach Berlin, wenn sie nichts als Angst haben vor einem fremden Gesicht.
Warum kommen Leute ausgerechnet nach Berlin - nur um ein hysterisches Sicherheitskonzept zu importieren ?  Zu installieren?
Als wären  amerikanische Sicherheitskontrollen wichtiger, als das was Berlin zu Berlin machte - eine Auseinandersetzung mit staatlicher Kontrolle.

Warum ziehen Leute, die nicht deutsch sprechen wollen, in ein Scheunenviertel, wo früher Huren wohnten, und Diebe. wo jetzt nur Absperrungen und Anzeigen drohen -
um panisch gegen alles zu wettern, was NICHT-Berlinerisch aussieht?
(Man könnte keinen Caligari-Film drehen, in richtigen Kulissen, es würde Strafanzeigen hageln, die Filmcrews der Obszönität verdächtig, weil das Halbdunkel verboten wäre).

Warum erzählt mir ein aufgelöster Nachbar, ich sei kein Berliner?

Vielleicht ist es ja auch die kafkaeske Umkehrung: aller  NOCHNICHTVERBEAMTETEN STAATSDIENER, die sich - plötzlich - in der Situation des  Aussenseiters wiederfinden und hoffnungslos verbittert nach allem treten, was dem Prozess der Verbeamtung widerspricht -
und die im Grunde ihres Herzens vergessen haben, dass sie ja gar nie verbeamtet sein wollten, vergessen haben wie in einem Albtraum, dass sie gar nie Staatsbeamtete werden wollten -
und jetzt der Aufschrei der gequälten Seele: DOCH!
Nichts als Staatsdiener der sozialen Hygiene.

Jeder Neu-Berliner zwischen Rosa-Luxembourg-Platz und Dorotheenstädtischen Friedhof, zwischen
Kastanienallee und Kochstrasse -  ein wunderbares Mitglied des allgegenwärtigen Kontrollorgans
namens Stadt Berlin.

Ah ja? Haben diese Neu-Berliner überhaupt eine Ahnung von dem, was Stadt ausmacht?
Es beginnt manchmal mit einer Idee zwischen Treppenhaus und Strasse, zwischen Balkon und  Hinterhof, manchmal auch zwischen dunklen Hauseingängen...





Aber was red ich. Ideen hat man, in Berlin, nur im Modus PROFESSIONELL.
Gedacht wird professionell.
Justement pour cette raison, je ne voudrais pas gagner un sou avec mes mots.
Und ich verbitte mir eine professionelle Ausbeutung oder PROFITMAXIMIERUNG meiner Gedanken.
Manchmal denke ich, man muss einen Leser in die Peinlichkeit hineinzwingen, in die Beschämung, für nichts und wieder nichts zu denken.
Postulat am Rande.