Samstag, 4. August 2018

E-li-za rausgekürzt

Ich möchte eine Stückempfehlung aussprechen. Habe gestern ein Stück gesehen, das fast genial war.
Ein Theaterstück von so sozialkritischen Ausmassen, die einer akademischen Arbeit würdig egwesen wären, so auf den Punkt gebracht, dass Oben und Unten, Bühne und Publikum zu einem Ganzen verschmolzen. Zerschmolzen – nicht - aufgrund der Hitze sondern wegen der Exaktheit des – propos.

Als "propos" könnte man auf einer – experimentellen - Bühne die mathematische Berechenbarkeit bezeichnen,  die nötig ist, um Wirkung und Absicht  in den berühmten harmonischen Zusammenhang zu bringen und welcher nicht gleichbedeutend ist mit der DEUTSCHEN MESSAGE. Bitte nicht - verwechseln.

Denken Sie sich CABARET in einem Supermarktlädelchen dargebracht, dessen Klientel ehrwürdige Rentner und Rentnerinnen sind, leise schwebend hellrosa irritiert, die unsicher und verärgert die Einkaufswägen an denen ihre „Besitzer für 20 Minuten“ hängen, sanft und sicher, sacht und sacht anstossend durch die Auswahl der Milchtheke bugsieren die Trockenbrotabteilung gleiten lassen, und rollatorgleich an den Tiefen der abgepackten Fleischwaren

und nun darin Mein lieber Herr – I'm through....

Vielleicht sollten Sie sich zwischendrin das Liza Minelli Video angucken. Ich bin furchtbar schlecht im Stückenacherzählen. Ausserdem habe ich ein ganz anderes Stück angeguckt.
Nun, das war es nicht, was ich in Rottweil gesehen habe. Nicht exakt.
das Zimmertheater bietet noch bis zum 12.August

CABARET

und es könnte auch heissen der Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, dargeboten in Rottweil
und es ist das leise, das Liza Minellihafte, der Einfachheit halber rausgekürzt worden.
Das Geniale an einer guten Inszenierung besteht ja darin
dass man so komplexe Texte wie Hamlet, Hamletmaschine, Otystra (Gibst auch nur REAL in einer ähnlichen Version, die männlicherweise sonst Orestie heissen würde) oder gar Macbeth

auf die ArbeitsSituation runterkürzt, in der das Spiel, die Möglichkeiten des Spiels sich mit den Möglichkeiten der Spieler und des Publikums: die Aufnahmebereitschaft sich spiegelt und bricht

I am trhough

wie in den Facetten des Schminktisches, die Ausblicke zwischen Garderobe Bühnenscheinwerfer und dem Publikum im ersten Rang
sich so oft spiegelt, dass die Identifikation des Publikums mit dem Dargebotenen

das Grosse O
engl...brauchen wir jetzt nicht, ein Today, ein heute, welche noch ein heute zusammenzieht zu einem weiteren Heute, in dem das Ziel der Sehnsucht ebenso nah wie konsumierbar ist, wie Macbeth dem sinnigen Abgrund der Weiblichkeit (insider-joke)

so sind die Rottweiler Damen mit einer gewissen Leichtigkeit Cabaret-Mitwirkende, die das Leichtfüssige vergessen lässt
das Geschehen fokussiert sich auf die Angst, das Altwerden
und die Depression
einer frivolen Lebenslust, die eben so frivol ist, wie eben gestandene Mitdreissigerinnen in der Stuttgarter Umlandswelt das vorstellen.

Das Dritte Reich, das sich im Nichtkabaresken im Humorlosen erschöpft.
Eindeutiger kann man Cabaret nicht inszenieren. Genial, meint man, deprimierend
ein cabaret ohne Cabaret...aber Depression mit Wucht.

Fast meint man Braunau am Inn zu sehen ohne Berlin, Linzer Vorstadt, ohne Friedrichstadt Palast...
Was ist Theater, wenn nicht Spiegel, Höheres...oder Tiefere Einsicht wie die des Professoren Unrath.


Pause.
Sie erlauben mir ein Kurzes BierweinSektgeplänkel im hellrosadunkelgrünen Sommerabend..
In einem guten deutschen Kabarett
ist niemand auf Liebe eingestellt, alles Kommerz (Augenzwinkernd) ...und ich erinnere noch den Spott des französischen Feuilletons, als Ute Lemper im Olympia, salle mythique auftrat - und leider ach, ein verspäteter verfrühter Hashtag ME Too..
der Spott bezog sich NICHT auf ihren Auftritt, nur darauf dass sie in Deutschland so verrissen worden war...verrissene zerrissene Schönheiten sind anderswo so schön...


Die Selbsterkenntnis, die an diesem Abend in der Erkenntnis gipfelt, dass WIRFRAUEN doch die besseren Bierkutscher sind. Dass WIRFRAUEN doch nur Schenkelklatschend schwarze Unterhosen tragen. Das weiss man seit Eliza Dolittle, die ihren Namen auch deswegen zu Recht trägt, weil Dolittle das mindeste ist, was man von ihr verlangen kann – und das einzige was sie dazu brächte, anmutig zu sein.
Aber Eliza Dolittle war auch schon rausgekürzt.

Anmut
hat was auf deutschen Marktplätzen und an lauen Sommerabenden zu suchen.
Der deutsche Marktplatz gilt als Urmodell des Staates.Die Frage von Bezahlung und kaufbarer Ware überträgt sich so nahtlos auf die Ware Frau, die zwischen Hausfrau, Marktschreierin und Nutte ihrem Gusto als Konsumkonsumentin nachgehen kann.

Ich, Nataly mit Index( sonst Schlampe), hatte mal einen längeren Streit mit meinem Vater darüber.
ES war mir unmöglich, STADT , so wie sie mir als geistiges Gebilde vorschwebte, nur als Markt zu verstehen. Selbst das Goetheanische Weimar, das von Humboldt inszenierte Berlin, das den Orangensteckrüben abgerungene Berlin, der Pariser Ideenklau wie das Viertel um Saint Sulpice oder Saint Germain de Près oder beim wüst hingerichteten Chevalier de la Barre, schienen mir nicht mehr NUR MARKTPLATZ zu sein. Jeder Leser, jeder Theaterbesucher wird mir sofort widersprechen.
Gerade der Jahrmarkt der Eitelkeiten verlangt Bezahlung, und Hungerkünstler verderben andern die Preise -
richtig sagte ich, aber  die Kulturschöpfung durch ideelle Werte berechnet sich exakt anders als nur im ausgehandelten Kaufpreis – und das macht die Komplexität dieser Märkte aus. Sie müssen immer Angst haben, dass, was heute lächerlich ist, in fünf Jahren ein Verkaufsschlager....

neeneenee, sagte man mir, was lächerlich ist bleibt schon auch anderswo lächerlich 
und Geist auf dem Marktplatz....
Hier kann man nicht von Kuhhandel reden, fuhr ich fort, wohl wissend, verloren zu haben, von Aryanisierung, von Betrug und Rattenfängern, von fiesen Tricks
wohl wissend dass Optionen, Bonds und strategische Anleihen gerade dem wichtig sind, der wissne will, was JETZT ein Buch kostet, was jetzt ein Theaterstück an Rendite einbringt – und danach handelt.






Es fehlt was, werden Sie sagen. Der Schluss, die Moral.
Wenn ein Stück genial, fast genial, kongenial
Geist und Publikum zur Deckung bringt.