Freitag, 11. Oktober 2019

Bunkermentalität



Ich solle nicht unterschätzen, welchen fragwürdigen, zweifelhaften Stellenwert
meine losen dahingesagten Bemerkungen haben.  Mir mehr bewusst sein,
wie sehr sie meiner Absicht schaden, einen positiven Einfluss zu nehmen
Schaden abzuwenden, Betroffenheit auszudrücken, Trauer zu vermitteln...
Zudem sollte ich beachten - der mahnende Ton der Kritik lässt sich kaum überhören
die normative Aspekt der Zum Gedenken ausgerichteten Sprache.

Dass die zweifelhaften Versuche einer Aufarbeitung der Vergangenheit
durch eine schamlose Sprachweise bedroht sind, dazu dienend, die Betroffen abzuwerten und geeignet sind, sich selbst lächerlich zu machen.
Trauer fasst sich in Deutschland mit goetheanischer Anmut oder garnicht
der Kulturprotestantismus kennt die Etikette wie die Regeln des guten Tons.

Dazu gehört auch, dass Aufarbeitung sich mit der Respektabilität des recherchierenden Subjekts verbindet: da ist die Historikerkommission, das journalistische Rechercheteam, der renommierte Autor - denen gegenüber der Amateur, der Hobbyhistoriker bereits im Namen, in der Etikette die Zweifelhaftigkeit mitsichführt.

Schwerer wird es nur noch, wenn unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung
und unter der Akzeptanz eines Erkenntniswertes gesucht und recherchiert wird –
eines Erkenntniswertes, der sich nach Leistung und Verkaufszahlen dividiert.
nach Zusammenhängen die immer noch, nach vielen Jahren, nicht bekannt sind.


In diesem verminten terrain, auf dem 
das GEDENKEN ebenso maßvoll ist wie gehaltvoll die Aufarbeitung, 
so fest und unbeirrt in die Tiefe starrt

als wäre es ein offenes Grab
als lägen dort die Opfer aus Halle

und über dem die ebenso routinierten wie literarisch gutgeschriebenen Rundumschlagsanklagen gegen den  Wind fliegen
scheinen mir, dem Einzelgänger, dem Aussenseiter
dass das Lächerlichmachen
das Blosstellen ein Aspekt ist, eine facette zeigt
die einem Mauern
dem Nichtwissenwollen gleichkommen.
Es gab da das dialektische Verhältnis einer exculpation. Unschuldsvermutung, in dem man alle anderen für schuldig erklärte.

So ambivalent wie das offene Grabmahl des Maréchal du Saxe.
Und da mir die Sprache gern unter der hand davon läuft, muss ich aufpassen, das ssich nicht ein paar leporello-Töne hineinmischen
ein „Guardate“ –
am offenen Grab, an dem man nicht ungestraft provoziert.

Da gibt es  die verbitterte Behauptung, es sei geschwiegen worden, gelogen und gemauert von der Tätergeneration, schlimm genug) , aber die Aufarbeitung der dritten Generation so albern und verlogen wie die Erzählversuche der ersten 

Doch das scheinheilige Gedenken desjenigen, der anklagend behauptet
nie irgendwas erklärt bekommen zu haben- ist falsch. Eine Lüge.
Was ich dieses Mal ziemlich genau weiss, denn schliesslich hab ich die Dokumentenpackete aus den Schränken gezogen.




Man muss vielleicht sozialer und gesellschaftlicher  Außenseiter sein, um
zu wissen wie schwierig das ist, an Informationen zu kommen, wie nötig es ist, Netzwerke zuhaben, wie leicht sich das sagt, da habe einer ohne Unetrstützung gearbeitet – und sei von selber, von nichts
an die Technik gekommen, an Ausstattung.

So denkend umkreise ich die wenigen biographischen Überbleibsel, die 2 Aktenordner drei vier fünf, die Skizzenbücher, die Studienblöcke des Studenten des deutschen Ingenieurswesen und die fehlenden Briefe des späteren V2 Ingenieurs
von dem eine recht merkwürdige Todesattestation vorliegt, ausgestellt 1945 in Bad Gastein.

Einen heutigen Gedenker, den  ich danach also fragte
nach dem KZ Ebensee, Aussenlager von Mauthausen, nach unterirdischen Stollenarbeiten, Munitionsfertigungsanlagen irgendwo in den Alpen,
den Unterirdischen Fertigungsstellen, in denen Goehring die V2 oder die MAUSER fertigen liess.

Wie das sein kann, fragte ich,  dass da 70 Jahre lang  Briefe liegen, in denen ganz ungeniert von unterirdischen Stollen gesprochen wird, Zwangsarbeitern, die  während der Bombardierungen nicht in die Bunker dürfen...durften....
und ob hier nicht Aufarbeitungsbedarf bestünde, Wiedergutmachungsbedarf ?

Da bekam ich die Antwort, das sei trauriges Leben, ein bescheidenes Lieben sei das gewesen, das dürfe man denen doch gönnen...
und schon klang ein Schmachtfetzen an. Der in der Luft schwebende Satz meinte nicht die Zwangsarbeiter, er meinte die zu schützen, welche damals Aufsicht führten…
aber ich hatte nach dieser Briefsstelle gefragt:
Ganz präzise.
Was heisst das…“ich baue Stollen“ ?


Aber, wie gesagt, dass interessiert niemanden. Nicht heute nicht vor zwanzig dreissig vierzig Jahren: Bunker nur für zwei, eine Art Inception...Incipit des Gedankens....

Nun ist meine Aufarbeitung sicher nicht richtig, 
Unterirdisch.
Das interessiert Sie nicht – Sie wollen den schönen Schein oben.

Auch wollen Sie nicht den Vergleich des Einzelnen Attentäters von heute
mit einem Vergleich zum Verhalten des dilettierenden Hobbyhistorikers.
Angedenken ist nicht Identifizierung....




Nun, ich kann verstehen, dass die jüdische Gemeinden, die einen lebendigen Versöhnungstag feiern,  den Weg deutscher Vergangenheitsbewältigung und Annahme deutscher Schuld  nicht wissen oder kennen wollen müssen.
Dass für sie Aufarbeitung nicht Teilnahme ist
Dass es zwei verschiedene Dinge sind, der Vergangenheit gedenken und vor dem heutigen Erstarken des Rechtsextremismus warnen –
dass aber die Beschäftigung mit dem Revisionismus – mit leugnen und Verleugnen Jüdischen denkens und jüdischer Geschichte in einer ganz anderen Beziehung  -
und das ist ein sehr viel diffiziler Punkt.



Das Stollengebiet
die verlassenen Bunker

Curiosa kommen ja schon so leicht in Verdacht
für Rechtsextreme ein beliebtes Souvenirareal zu werden.

Ganz so wie die Beschäftigung mit jüdischen Themen, die einen zum Holocaustleugner werden lassen, weil das Verleugnen der Massenmorde nicht benannt wird -
von DEN TÄTERN, von den Nachkommen, von mir, der ich einsam und unbrauchbar durch die nächtlichen Gassen laufe.
sagt der mir vorwirft, die Vergangenheit zu verharmlosen, zu beschönigen.
Vorwürfe wandern so leicht –
und stellen so, nichts überraschendes, alte Zusammenhänge neu wieder her, als Abwertungsstrategien alte Denunziationen.
Wer sich mit dem Judentum beschäftigt, tut es in dieser Wahrnehmung nur als Denunziant als Störer, oder als einer der den Vorwurf der Täter hinüberwandern lässt, so als wären jüdische Leute selbst Revisionisten…

So starrt man in den Abgrund der Vergangenheit
mit dem üblichen christlichen Gesicht
und vergisst ganz, dass es heute um die Lebendigen geht.

Aber vielleicht ist es besser, so wie in meinem Fall, zu den Totgesagten zu gehören.
Um diese Bunkermentalität ein bisschen aufzumischen.

Der Platz der Solidaritätsbekundung

Wie man so rumläuft und nach dem Platz des Gedenkens sucht,
dem Platz der SOLIDARITÄTBEKUNDUNG,
fällt mir ein, dass ich unvorsichtig war.

Das Wort „allein“ zu verwenden, nicht, war unklug, das löst Assoziationen aus vom „Einzeltäter“ – und "Wir sind alle so froh, dass es nur..." oder "Mit Bestürzung..."
und da die meisten in dieser KONSENSUSdemokratie nur einen Sprachgebrauch schätzen
so denke ich, der klar ist, eindeutig und unmissverständlich

denke ich wie ich da so rumlaufe und nicht weiß Zeit und Ort
und wann das Gedenken richtig ist
nachmittags... vermutlich DORT wo Licht ist, nix Dunkel -
und  da wo nix ist
da wo die Synagoge verbrannt wurde und
nicht da wo sie lebendig ist…

und wie man also so durch die Strassen hetzt und sucht,
sist vielleicht besser nicht zu viel „ICH“ zu sagen
das könnte zu egomanisch rüberkommen, das hatten sie mir/man schon vorgeworfen in dieser Stadt -
denke ich darüber nach, dass ich die Grundzüge der Konsenusdemokratie nicht aushalten kann, nicht auseinanderhalten kann
von der Volksgeistmentalität, von der ausgeschlossen ist, der eben nicht das denkt, was das Volk denk, der anders denkt
bei der AFD die in Baden Württemberg NICHT Sachsen in BW 12 % 15 % Wählerstimmen hatte, Tendenz steigend

klare Sprache unmissverständlich Schande, Schock und 
aber vielleicht denke ich, werde ich hier nicht hinschreiben
Wehret den Anfängen! oder NIE Wieder!
Pietätvoller soll das Gedenken sein, so die Forderung
mein Gedenken ist nicht richtig
Pietätlos
und hier beginnt bereits die Grenze zur Vergangenheit.


Mitmenschlichkeit
denke ich, umkreise ich die wenigen biographischen Überbleibsel, 2 Aktenordner drei vier fünf, eines V2 Ingenieurs
von dem eine recht merkwürdige Todesattestation vorliegt
ausgestellt 1945 in Bad Gastein.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Der Platz vor der Synagoge

Ich war gestern abend an der Freiburger Synagoge und dort war niemand ausser einem Polizeiwagen.
Ich ging vorbei und wollte doch meine Unterstützung und meine Solidarität kundzutun, aber es war nichts da außer Dunkelheit und Regen.


Nun muß ich ein bisschen aufpassen, was ich sage.
Ich beschäftige mich mit Vergangenheit : der meiner Familie und Freiburg, mit Martin Heidegger, Edmund Husserl, Eugen Fink und Martin Buber oder der Montessori Association während der deutschen Besatzung in den Niederlanden…
Sowohl mit Antisemitismus und Philosemitismus
und
ich beschäftige mich mit der Grenze.
Der Grenze zwischen Profanem und Sakralem
der Grenze zwischen Traumatismus und Wiederkehr, 
zwischen dem Heute und der vergangenheit
der Grenze die Konvertiten hinter sich lassen und der Grenze zum Hochverrat
der Grenze die jene übertreten, die versuchen zwischen den Lagern zu vermitteln.

Kurz: mich interessiert der Platz VOR der Synagoge.


Dabei könnte ich einiges über Freiburg erzählen.
Einges über den Freiburger Antisemitismus, einiges über das Ressentiment und den blanken Hass, den jenen trifft
vom dem der Freiburger beschlossen hat, ihn zum Nicht-Juden zu machen.
Der Freiburger Freiburg selbst steht hier exemplarisch für eine deutsche Gesellschaft, die sich für die Crème der Zivilisation die Spitze des Weltgewissen hält:
Ökocity. Die heimliche Hauptstadt Deutschlands.

Aus meiner Bitterkeit werden sich balöd Körbe flechten lassen, ich seh schon.

Dabei könnte  ich einiges über die forcierte Christianisierung hier in Freiburg erzählen, eine Christianisierung, die Kinder trifft, die „angeblich“ zur Betreuung im Religionsunterricht sitzen müssen, damit sie keine Mordanschläge begehen ...oder weiß man was sonst...
während der Religionslehrer mir schamlos ins Gesicht lügt, sie dürften da – leise  - tun  was sie wollten.

Diese …völlig leeren… Bekenntnisse zur Toleranz und Freiheit.

Auch könnte ich einiges erzählen, zu den "harmlosen" antijüdischen - antizionistischen Anekdötchen, die man beim Abendessen serviert kriegt. ich lade dann die Leute gern ins Theater ein... manchmal kommen sie auch mit und lernen was.

Doch muss ich mich nicht zum Juden bekehren, noch muss ich behaupten, mein Nachlesen von BIbelübersetzungen von Tanach  oder Thora Übersetzungen
von Übertragungen aus dem Hebräischen ins Deutsche oder ins Französische
von Martin Buber Franz Rosenzweig oder aber von einem Mitglied meiner Familie 
würde mich dem Heiligen näher bringen -

um empört zu sein. Oder um zu sagen, dass ich helfen möchte.


Das Problem ist nicht die forcierte Bekehrung
mein Problem ist die Aberkennung und die Leugnung.
Der Prozess des zum NICHT-Juden gemacht werden, der Prozess des zur NICHT-Person gemacht zu werden.

Ein Sartre Problem. Der Definition. Wer ist Jude.

Es scheint sich niemand zu fragen, ob eine Frau nun erschossen wurde, weil sie an einem jüdischen Friedhof vorbeilief. Oder ob schon die Unterstellung an sich Blödsinn ist.
Es kommen doch in den Medien sehr schnell Bilder hoch, die vermuten lassen, wie dicht das Ghetto noch im Kopf verankert ist.

Nun interessiert den Freiburger ein Text von Jean-Paul Sartre nicht so sehr, er versteht auch nicht, warum mich Obszönität nicht am Denken hindert,
warum man manchmal mit ALLEM, was einem zur Verfügung steht, Einsatz zeigen muss.
Ich kenne Peinlichkeit nicht, wenn ich die  beschädigende Verwendung von Bilder, die  paralysierende Sinngebung von Formen, die Stereotypien von Wahrnehmungsweisen aufzeigen will.

Gerade auch, indem ich Grenze bin.

Ich verstehs nicht recht, geb ich zu.
Dabei müßten doch all die Bias-Veranstaltungen hier in dieser universitären Metropole, die Veranstaltungen zu „Feminismus“ die zu Critical Whiteness gezeigt haben,
dass es notwendig sein kann, auf  Sensibilitäten, Traumatismen Rücksicht zu nehmen, sich nicht aufzudrängen.
Und doch zuzuhören.

Aber manchmal reicht es nicht, Türen zu verrammeln, Videoüberwachung einzusetzen, Verdunkelung, um in einem geschützten Raum zu sein.

Manchmal muss man in der Öffentlichkeit alleine sein.





Was interessiertes mich, wenn in der "Badischen Zeitung" steht, der Bundespräsident führe nach halle...
Mag er hinfahren wo er will...mich interessiert doch anderes was in dieser Zeitung stehen könnte.