Mittwoch, 19. März 2014

Was ist Humanismus

Was ist denn genau Humanismus, diese Frage stelle ich mir, knurrig und bis auf die Knochen durchgefroren in der Bröllinschen Küche sitzend, nach dem ich gerade diesen Wikingern - mögen sie mir verzeihen - und ihren misstrauischen Blicken, mit denen sie mich schneiden, versucht habe, zu erklären, was ich hier bei ihnen mache.
Neben mir der Mann mit Wehrmachtshelm und Uniform, das Hakenkreuz ist verdreckt und kaum sichtbar, doch trotzdem.

Ich versuche, sage ich, einen deutschen Akademiker,  einen Professor für Philosophie, der ein Soldat war GENAUSOGUT wie jeder andere, aber eher ohne Führungsqualitäten, dafür mit Fähigkeiten zur weltanschaulichen Wehrerziehung -
mit einem Legastheniker zu besetzen -
und wenn ich keinen mit Sprachstörung habe, mit einem Ausländer, der sich mühsam durch die Sprache kämpft.

"Warum tust du das?" werde ich sonst in der Regel gefragt. Es ist schliesslich nicht das erste Mal, dass ich einen ARTFREMDEN mit der Erkundung geistiger Erzeugnisse der deutschen Kultur beauftrage -
aber  dabei nur Kopfschütteln ernte.
Natürlich verstehen wir darunter sofort und ausschliesslich - anders kann ich mir die stereotype Reaktion nicht erklären - deutsche HOCHKULTUR.

Nun habe ich mir für die Rolle eine arabischsprachigen, auf sorgfältigste Pronunciation wertlegenden Syrer ausgesucht, kurdischer Abstammung -
der mit grosser Aufmerksamkeit sich durch sämtliche Gleichklänge, Alliterationen und anderes wagneriansiches Geschreibsel hindurchwühlt, um stolpernd zwar, doch lautmalerisch überzeugend  hochdeutsches Gedankengut wiederzugeben.

Und doch schlägt mir Unwillen entgegen.
"Was soll das?"

Ich kann einen deutschen Professor als zynischen Menschenverführer  oder als leidenden Hamlet darstellen - aber, so ist die landläufige Meinung, ich sollte es mit einem deutschen Schauspieler tun, der die kulturellen Finessen der Sprache, des Gedankenguts, die Schattierungen und das Leichtandershingesagte in seinen landläufigen und nur mitdahingedachten Abstufungen zum herrschenden kulturellen Leben sagen, umsetzen und wiedergeben kann.
Kurz: diese personifizierte Hochkultur an ihr Scheitern zu bringen, ihre Grenzen - KANN ein tragisches, muss aber  ein nationalstaatliches Verfahren sein.

Kann er nicht, sage ich dann - und werde schon wieder wütend.
Genau dieser Trugschluss zeigt mir, dass der deutsche Schauspieler  das nicht wird tun können.
Er wird bestenfalls eine kurz "MAYA" (genannte)-Interpretation (geschichtlicher Opferzyklen) in Jüngerscher Version abliefern, die mich nicht interessiert. Schliesslich habe ich neulich in der letzten donnerstagsausgabe von  Libération eine Besprechung der letzten=neusten französischen Neuausgabe der Kriegstagebücher Jüngers , vorallem der französischen Besatzungszeit, gelesen - die den Autoren ebensosehr gelangweilt hat, wie mich der ganze Rest.

Nein.
Was ist "humanistisch"?
Und was heisst es, wenn wir sagen wollen, wir setzen zu einem "humanistischen" Drama an?
Man müsste erst mal Autodidakten fördern.
Aber hier in Freiburg wird man Ihnen bloss sagen, dass Autodidakten fördern heisst, Dilettanten finanziell zu unterstützen.
Schillers "Kabale und Liebe" mit jungen Türken zu spielen, nicht oder "Tartuffe" mit Barbus, mit Pakistanis, heisst für uns, den jungen Fundamentalisten oder jungen Menschen die Augen zu öffnen, für ihren eigene humanistische BildungsC HANCE -
wir würden es nicht tun, um die Barbarei in Schiller oder den Fundamentalismus in Molière zu finden.

Die Leute von Bröllin hatten mich etwas durcheinandergebracht, als sie vom Zwang zum Meisterwerk sprachen.
Zum Glück muss ich das nicht. Das ist wie mit dem Fluchen - von all denen, die ich kenne und die sich damit beschäftigen, halten  die es eher für eine Art Körperhygiene oder Ganzgesellschaftsmassage als etwas worin man es zur Meisterschaft bringen kann.