Der Geschichtsunterricht der 8.Klasse ist nun nach gerade mal 6 Monaten und dem Abhaken der Glorreichen Revolution in England, der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der französischen Revolution, NAPOLEON, der Julirevolution, der 1848/49 Revolution in Frankreich und Deutschland, der Gründung des Deutschen Reiches und JETZT: bei Bismarck angelangt…bevor sie zur Russischen Revolution weiterschweifen werden.
Kurz, ein Geschichtsunterricht mit der Prägnanz und der Tiefenschärfe eines Kreuzworträtsel, das noch nicht mal vorgibt, um die Ecke zu denken.
Fast könnte man meinen, nichts sei mehr dazu gemacht, den Deutsch denkenden Jugendlichen pubertäre Oppositionsspielchen auszutreiben, als sie in der Schule sämtliche Revolutionen alphabetisch RUNTERSCHREIEN zu lassen.
Mein Kind, meist ungeduldig und schlecht gelaunt, weil es die Zusammenhänge so rabiat knapp gefasst, nicht verstanden hat, bittet mich, das irgendwie……..und irgendwie schwebt in der Luft.
Nun tue ich, zwischen Kaffe und Abendbrot nichts lieber als das, und kürzer als Gymnasialoberstudienräte kann ich Hintertreppen der Geschichte gleich zweimal darstellen.
Aber wie ich gerade zögere, den Hugo Ball aus dem Regal zu nehmen, um meinem Kind was über DADA und die Kritik der preussischen Intelligenz zu erzählen, oder über Klepper, und sein Buch über Friedrich den Zweiten, da fällt mir ein, dass Friedrich der Grosse ja garnicht dran war.
Und bei dem Stand der Dinge ja auch nicht mehr dran kommen wird.
Und in dieses Zögern, denn wie soll man über den deutschen Militärstaat was sagen, wenn über Preussens Gloria…
nicht, so bodenlos garnichts hatten wir uns das ja immer gewünscht, fast untern Teppich gekehrt,
da ruft mein Kind laut: "Nein, Mama, bitte nicht."
Denn, so sagt es, wenn es in einem Haus lebt, mit all den Büchern und trotzdem nur eine Vierminus in Geschichte schreibt, während andere Kinder, die nicht in einem Haus mit so vielen Büchern leben und dabei eine Einsbiszwei schreiben, dann, so sagt es, wärs besser, verstehst du, all die Bücher nicht zu lesen.
Versteh' ich, schliesslich hatten wir es neulich beim Wartburg Fest und den Burschenschaftern mit
Heine versucht, und es war gründlich daneben gegangen - schliesslich liebe ich zu sehr wie Heine über Göttingen spricht und seine Professoren - und dann hatten wir nicht ganz kapiert, wie das mit den HepHep-Unruhen war - aber, sagte mein Kind, was soll man was lernen, was der Lehrer eh nicht wissen will.
Jepp, der Treppenwitz der Abkürzung. Da lag er, hingefallen, umgekommen.
Und so denke ich mir, wie bei einem Kreuzworträtsel, bei dem man eine FALSCHE Lösung hingeschrieben hat, und dann noch den zweiten Ausklang vermurkst, es also immer und absoluter unwahrscheinlich wird, dass wir das Ganze JE zur Zufriedenheit fertigstellen werden -
dass es vielleicht besser wäre, die Sackgassen, die verlorenen Aufträge, die Boten der Herren Müller, Brecht und Kafka auf verlorenem Posten stehen zulassen,
will sagen, das Interesse für Geschichte einfach zu begraben, auszuixen, denn auf die Zwischentöne, die unterdrückten Wege kommt es ja wohl hier in diesem Schulbetrieb so wenig wie in einem Rätselvordruck an.
In der Hoffnung, dass in dem Augenblick, wenn die Stoppuhr abgelaufen und das Schulklingelzeichen
ertönt, vielleicht das Interesse vielleicht irgendwann mal wieder kommt.