Montag, 7. April 2014

extremist

Die Angst, einem EXTREMISTEN eine Stimme zu geben, Platz zu schaffen für Hasspredigten, sich die Zensur auf den Plan zu holen, Raum zu geben  bösartigen  und verleumderischen Unterstellungen, dem Verdacht der Verzerrung und Karikatur sich naiv auszuliefern - all den Befürchtungen begegne ich zur Zeit häufig.
Wenn es sich um eine Atmosphäre handelt des Bürgerkriegs - so kann ich als Unwissende  gut verstehen,  dass es den Leuten  darum geht, mit aller Vorsicht Stellung zu beziehen, um Fronten nicht weiter zu verschärfen. Gräben tiefer zu graben.

Mein sehr polemischer Ansatz ist es jedoch, Menschen die Rolle ihrer Opponenten zu geben.
Überraschenderweise gelingt das sehr oft.
Einem christlichen, sehr konservativen Menschen neben einem homosexuellen spielen zu lassen und ihn dabei bitten, auf die Nöte der anderen Figur, die Schwierigkeiten eines anderen Menschen einzugehen, der sich mit einer fiktiven Rolle schwertut, oder andererseits einen arabischen Fundamentalisten bitten, arabische Poesie zu übersetzen, auch dort, wo sie einen häretischen Beigeschmack hat…und dabei zu erklären, was das Enorme des Gedanke sein könnte….
Das verstehe ich als meine Arbeit… Zwischen den Stühlen zu sitzen, keine Sprache richtig zu sprechen, aber die Bauarbeiter am Turm Babylons bitten, sich gemeinsam das Werkzeug anzuschauen, es zu studieren - und denen, die es nicht kennen, ein Bastardwort zu schaffen, ein Mischlingswort….
damit sie weiter an ihren steinernen Wasserspeiern und waschbetonfarbenen Dämonen herumwerken können.

Noch öfter aber höre ich, dass mir Kulturschaffende sagen, dass sie sich das nicht mehr antun wollen.
Was genau sie damit meinen, ist mir nicht ganz klar.
Sehr schnell geht es dann um Assimilation und SPRACHGENAUIGKEIT:
Dahinter steckt natürlich wieder der Ansatz, dass Kultur auf Sprache aufbaut - und dass ein kulturelles Werk - in einem der landesüblichen Fehlschlüsse zwangslogischerweise - auf sprachlich herkömmlichen und verständlichen Argumenten beruht.

Nix da. Sprache beruht auf Denken. Und Denken ist nicht nur Sprache und schon gar nicht nur geschriebenes Deutsch.
So wie im geschriebenen Deutsch der Witz nicht in dem liegt, was da geschrieben steht, sondern in dem was nicht dasteht. Und das wiederum kann vorformuliert werden.

Jaja. Aber ich zwinge die Leute, die für mich arbeiten, eben solange, die Sprache, die ich ihnen als Text gegeben habe, zu vergessen, bis sie anfangen, ihn zu denken. Denkend entwerfen.
Das interessiert mich.
Hat mit dem  deutschen Literaturbetrieb allerdings nicht viel zu tun.
Mit dem französischen auch nicht.
Schon das Wort "Mischling" geht garnicht in Deutschland.
"Metisse" sage ich dann, denn "Metisse" kann ich noch in Frankreich sagen, und mich zumindest hierzulande noch ein paar Minuten lang elegant aus der Affäre ziehen, denn dann schlucken erstmal alle und halten den Mund.
HYBRID sollte ich wohl besser sagen.
HYbrid.
Wenn ich also einen Afroamerikaner einen Brief aus dem wilhelminischen Deutschland lesen lasse, und er mit den grössten Schwierigkeiten den Windungen dieses gestelzten Denkens folgt -
lachen meine Zuhörer und sagen, wenn ich die Absurdität eines Kulturaustausches zwischen dem Wilhelminischen Deutschlands und der Afro-amerikanischen Kultur zeigen wolle, sei das genau richtig, aber ich müsse bedenken, das sich damit alle rassistischen Klischees mitbediene.
Mir war es um die Sekunde Zögern zu tun, da das Wort "ehrerbietigst" zu einem neuen Wort wird.
In meinem humanistischen Eifer, der das Zögern als Impuls ansieht - aber nicht als TAT.
Zögern und Unsicherheit ….nicht, in Deutschland, das ist eine kabarettistische Unart, aber kein Geisteszustand.

Jacques Roubard hat einen Gedichtband unter dem Titel veröffentlicht.
"La forme d'une ville change plus vite, hélas, que le coeur des humains"

und während ich noch über die Kopie des Zögerns nachdenke - und dann gleich drauf darüber, ob ich einem Syrer wirklich die Aufgabe zuteil werden lassen sollte, deutsche Philosophie der Nazizeit gedanklich umzusetzen -
fällt mir Dantes "De eloquentia" ein, in der er begründet, warum er, Dante, gerade seinen Dialekt zur Grundsprache seines Gedichtes macht. Und er zählt die italienischen Dialekte auf, macht sie fertig, einen nach dem anderen - und geht dann zum Körper auf, bis die Schrift  mit den Gesten des Zornes abbricht.
Der Zorn, schrieb er, geht nämlich zur Linken….