Kürzlich bekam ich einen Nachlassverwalter in spe zu Gesicht -
etwas Oberstudiendirektoriales haftet solchen Wesen an, ein etwas beflissen untertäniges und doch eminent scharfzüngiges Wesen -
doch ist der dazugehörige Anlass, der Nachlass noch gar nicht fällig oder wie soll man sagen: zu verwalten.
Aber - und das ist das eigentlich Pikante an der Sache, für diesen Nachlass von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung steht zu befürchten, dass er einem Trottel anvertraut wird, einem Taugenichts und literarischen Nichtskönner ersten Ranges.
Daher kann ich gut verstehen, wenn sich besser Geeignete für diesen Posten bereits frühzeitig in Stellung bringen.
Kurz: Die Sache verspricht heiter zu werden.
Da ich noch einmal dabei bin, über Nachlässe zu plaudern, Hinterlassenschaften, fällt mir natürlich ein Druckerzeugnis des Waisenhauses Halle ein: die posthum veröffentlichte Dissertation von Hermann Ritzel, der 1915 in Galizien gefallen, wenigstens auf diesem Wege zum Doktoren der Philosophie avanciert ist. Von dieser ebenso leicht lesbaren, wie schrägen Dissertation habe ich nur über Umwegen erfahren, nämlich über eine niederländische Anfrage eines Studenten der Dauberiana, die wiederum als Brief in einem als "Opus posthumem" deklarierten Pappordner meines Grossvaters Wolfgang Ritzel abgeheftet worden war. Zusammen mit anderen Merkwürdigenkeiten wie einem Aufsatz zu Hebels Rätseln.
Nun könnte ich meinem Grossvater übelnehmen, dass er mir von dieser skurrilen Arbeit, die Husserl gerade noch als "gediegen" bezeichnet hat, NICHTs erzählt hat, und sie auch nicht in jenem Pappordner zu finden ist.
Was solls..schliesslich hat Theunissen versucht, mich auf anderen Wegen wieder für Husserl zu interessieren…und die Philosophie liebt krumme Wege, wenn sie vielleicht auch nicht so sehr schätzt, wenn man ihr das Wasser abgräbt.
Und da beginnt es, für mich weniger amüsant zu werden. In meinem Projekt würde ich mich gerne über den Umweg der Philosophie dem Biografischen zuwenden und finde mich mit der Feststellung konfrontiert, dass alle meine Mit-und Zuarbeiter, Unterstützer und Neugierigseinenden, Interessierten aus der deutschen Theater- und Medienwelt keine Ahnung von meinen literarischen und ästhetischen Referenzpunkten haben.
Die NICHT in den Referenzrahmen deutsch- nationaler WERTE einzuräumen sind…nicht, jetzt werden sie wieder knurren und fragen, was diese blöde Polemik soll, und was der Scheiss mit diesem Südwestdeutschen Neukantianismus soll, von dem keiner was gehört hat - und niemand auch was wissen will.
Und warum ich die Geschichte nicht EINFACH erzählen kann, dass es die Massen interessiert..wozu Philosophie und Kunst...
wozu Boltanski, wozu Bruno Bauch….