Freitag, 25. Juli 2014

der arabische Frühling, Julian Assange und das Ich-als-Geschichtenerzähler

Während ich versuche, den Zusammenhang zwischen arabischen Frühling und Wiki-leaks herzustellen, wiederherzustellen, weil ich meine, mich daran zu erinnern, dass dieser Zusammenhang einmal aufgestellt wurde und dabei im Internet suchend über Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung hinwegsurfe -

stört massiv meine  noch frische Erinnerung ein Film, der vor wenigen Tagen über ARTE ausgestrahlt wurde, und in dem es darum ging, ich schrieb es schon, den Handlungsspielraum eines Lagerkommandanten, der im Sommer, Herbst und Winter 1941 sowie im Jahr 1942, beauftragt war, DuLags (Durchgangslager) für russische Kriegsgefangene aufzubauen, einzurichten und zu leiten, dessen Handlungsspielraum also auszuloten zwischen "Leben und Tod", wie es so schön hiess.
"Leben und Tod"  - als Wortspiel bezogen sich nicht auf den Kommandanten, waren nicht sein eigener Tod , von seinem Leben nur ein Lagerkommandantentagebuch und ich finde, dass das Wort "Handlungsspielraum" nicht dazu passt.
Dieser Film oder genauer, die Erinnerung daran, stört mich erheblich, sie macht mich wütend -
und da das "Wütendsein" im deutschen diskursiven SprachundRegelwerk disqualifizierend sich auswirkt, setze ich also "Disqualifizierung" auch hier hin.

(ich rechle, fege gerne verschiedene Begriffe vom Boden und Staub meiner Wirklichkeit zusammen, setze sie gegeneinander und schaue dann, was mir das über die Wirklichkeit - die ferne fremde grosse Wirklichkeit erzählt. Mag Teil oder Schuld meiner Dyslexie - oder einer anderen Agnosie - sein, die es mir nicht erlaubt, regelgerecht mit der deutschen Sprache zu hantieren) -

Vor diesen je verschiedenen Hintergründen interessiert mich das erzählende Ich, seine Form, seine Funktion - und die möglichen Formen seiner Aufhebung.
Und es mag daran liegen, dass in einem SCHULFILM-Format der allgemeinzugänglichen historischen Aufarbeitung, wie es ein Fernsehfilm bietet, betreffend Lagerkommandanten und oder arabische Rebellen dabei gewisse fundamentale Prinzipen der Erzählung
trotz aller bemüht ausgewogenen - statistisch ausgewogenen - dokumentarischen Einblendung von Zeitzeugen, des darauffolgenden Interviews des Historikers und des Gegenhistorikers (sorry, meine unzulängliche Begrifflichkeit), der "fiktiven" Nachspielszene
die in historische Aufnahmen von Stacheldraht und Kriegsgefangenen übergeht, so dass geschickt beim nahtlos INEINANDERÜBERGEHEN von NACHSPIEL und DOKUMENTARISCHEM SPIEL
TROTZDEM gewisse Prinzipien des Erzählend so grandios missachtet werden, dass man das Ganze samt seiner aufklärerischen Absichten grad der Katz geben kann - wie jemand sagen würde, den ich kenne, aber den ich nicht auch noch zitieren muss.

Ich, Nicht-Ich….schliesslich die transzendentale Struktur des Ichs wie es noch jemand anderes genannt hat(von dem die Drehbuchautoren, die sich für Palästinenser einsetzen, nicht wissen wollen, dass er ausgerechnet "Husserl" geheissen haben könnte) scheint mir deshalb wichtig zu sein, weil sie Verzerrungen unterliegt, Ausfällen, die wiederum dynamisch sind, dramatische Veränderungen bewirken -
und ich meine auch, dass "Geschichtsunterricht", "geschichtliche Aufarbeitung", "Aufklärung" etwas mit dem Ich, dem Nicht-Ich und seinen, ihren zeitlichen Formen zu tun hat.

Nur - um es wieder ganz konkret zu formulieren:
wenn ich wissen will, was Lagerkommandant XY in den Jahren 1941 und 1942 in Weissrussland gemacht hat, will ich wirklich NACHVOLLZIEHEN und VERSTEHEN, was da vorgefallen ist?
Nein, das will ich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass ich das nachvollziehen will.
Ich beschäftige mich  mit der Zeit des Russlandfeldzuges und mit den Grausamkeiten der Operationen "Barbarossa" und "Taifun" nicht, weil ich mein historisches oder historisierendes Verständnis erweitern will.
Auch wenn ich mich mit dem Tun meiner Grosseltern und Urgrosseltern beschäftige, tue ich das nicht aus rein familienhistorischem Interesse.
Noch interessiert mich das "ICH" und die Icherzählerfigur im Tagebuch des Lagerkommandanten. Mir hat schon das ICH des Kommandanten von Auschwitz gereicht, und ich glaube nicht, dass das "Ich eines Lagerkommandanten" - möge man mir die kurzfristige Annahme zu diskursiven Zwecken einer solchen Wesenheit verzeihen - durch die mir noch unbekannte Existenz eines "ICH"s "eines russischen Lagerkommandanten" eine wesentliche Änderung erfahren wird.

"Verdammtnochmal, was ist das für ein idiotisches Verständnis von Geschichte und von Tradition, das mir da aufgezwungen wird?" frage ich mich und beisse mir auf die mich disqualifizierende Lippe.
Als würde das Verständnis so ineinander übergehen, wie ein Buch, das vom Grossvater auf den Enkel übergeht, ein Verstehen, das so vom einem zum nächsten rüberwandert - und bloss an den Hieroglyphen eines unbekannten Stenographen scheitert, den wir nicht mehr lesen und dessen Werk wir nicht entziffern können.
Was für ein Sündenfall an dem Wort Geschichte, an dem Wort Tradition und am Ich -
aber nachvollziehen muss ich das nicht.
"Schule", "bombardierte Schule" - ganz schwierige Worte.