Sonntag, 23. August 2015

Dozeal-Identity


Vor 15 Jahren, als mich der Vater meiner Tochter sitzen gelassen hat, meinte ein deutscher Bekannter sehr schadenfroh, dass das doch ausgerechnet mir passieren müsse, wo ich doch so für Ausländer wäre, ob ich nicht endlich mal meine Lektion gelernt hätte.
Da sass ich nun mit meinem Balg, alleine im Ausland und ohne Familie. Und hatte "meine" Lektion zu lernen.

Ich habe in den letzten 15 Jahren seitdem viele Leute mal mit Papieren mal ohne gegen Miete und für nichts beherbergt -
aber natürlich immer unter dem Verdacht, mir "billige" Arbeitskräfte ins Haus zu holen, die nicht richtig bezahlt werden. "Sklavenarbeit" - wie es der deutschen Mentalität eben entspricht.
Die Afrikaner, die Homosexuelle und Transvestiten nicht sehen oder riechen können, haben sich dann im Kinderzimmer eingeschlossen.
Schliesslich ist meine Arbeit widerlich. Sie handelt von PERVERSION.
Von einer Perversion der Werte, der Normen, der Gefühle aber auch des Sehens. der Wahrnehmung hingemachter Gefühle.
Sie hatten noch ein bisschen Mitleid mit dem armen Kind, das in so einem kranken Haus aufwachsen muss.

Ich glaube, in den letzten 30 Jahren habe ich das Wort "krank" sehr oft gehört.
Sehr oft aus nächster Nähe.
Manchmal ist mein Elternhaus damit gemeint, manchmal meine Ideen und sehr oft das undefinierbare Ding, das ich aus alberner Eitelkeit, sorry, gestelzt "Kunst" nenne. 
Sogar als ich ein Kind war - also in den 20 Jahren davor - da schwirrte das Wort wie ein Wurfgeschoss durch die institutionellinfantile Luft meiner Kindheit, traf das Adjektiv meinen Bruder.
Mein Bruder war " Adoptiertes Kind" und stammte aus einem "defavorisierten" (das französische Wort eingedeutscht), asozialen Milieu (deutscher Umschreibung für ein soziales Umfeld, in dem Nutten und Obdachlosen wie Eisberge herumtreiben ): einem Waisenhaus.
Ich durfte also teilhaben an dem pädagogischen Feldversuch, bei dem man überprüfen konnte, ob aus einem Wesen mit krimineller Vorbelastung ein menschliches Wesen wurde.
Institutionellinfantil… andere Leute würden vielleicht KINDERZIMMER sagen, das wars aber nicht, das wars auch…aber anders.
Aber vielleicht würden Kinder, die auf der Strasse aufwachsen und später Literaten geworden sind "staubiginfantil" sagen. Nein? Blöd? Weil das hiesse, dass Afrikaner oder Araber auf einer staubigen Strasse spiel. Hab ich nichtgesagt, kann man aber unterstellen.

Nun bin ich schon versucht, bereits hier diese merkwürdige "Dozeal-Identity" für mich in Anspruch zu nehmen.
das Ich, das aus einem "Wir" heraus entsteht.
Ein "Wir" das, ich möchte es nur bescheiden andeuten, manchmal einen taktvoll forcierten Unterton hat:
"Möchtest du ein schwarzes Brüderlein - oder eines, das sonst kein Zuhause hat?".
Als Kind sagt man, so lieb gefragt, ungern NEE.

Wie mein Bruder das nennen würde? 

Die Schwierigkeit liegt ja nun darin, dass das Wesen der  Identität und der philosophische soziologisch erfassbare  Komplex sozialer Normen von Wissenschaftler besser erfasst wird - und ich sollte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Pseudowissenschaftlich, mit angeleimten scientifistischen Begriffen eine Fremdbestimmung vorzunehmen, wos doch erstmal nur ums "ICH" geht.
Ich und Ich. Wos doch um die Entstehung des Rassismus geht.
Und es doch einfacher wäre nur zu  sagen: "Das ist rassistisch"…

Meine Seele brennt. Aber das ist nur das deutsche Fegefeuer. 
Ein Fegefeuer brennt nicht wirklich. Meistens auch nicht lange.
Wenns nicht aufhört, ist es vermutlich was anderes.

Was mein Bruder dazu sagen würde, braucht niemand zu interessieren. Der ist tot.
Dem hat man den ganzen Darm aus dem Leib gezogen und das wars dann.
Ein Sack voll Scheisse die, man rausprügelt..ist an sich nichts mehr wert.
Die Vulgarität der Bezeichnung. Ich muss hier um Entschuldigung bitten, die Vulgarität der Bezeichnung entspricht hier nicht der Vulgarität des Sachverhalts. Es war ganz anders.

Die Fremdkonstitutionierung. Blabla.. bla. Das "Wir" halt.
Negative Werte. Ab wann färbt das ab?
Wenn man sein Leben lang hört, man sei ein Stück Scheisse - wann wird es Teil der Struktur?
WIRD NICHT..sagen die meisten. Kannmahgarnich.
Meine Afrikanerinnen, die mir mit freundlicher Herablassung das "Richtige" beibringen, wundern sich gerne über den Grad der SELBSTVERLEUGNUNG. Selbstabwertung.
Nicht anders als ein deutscher oder jüdischen Literaten und Kulturschaffenden.Als Therapeuten. Kein Unterscheid. Pädagogische Philosophen. 
Sie gehen davon aus, dass wenn sich jemand als "krank" oder "unfähig" oder "fehlerhaft" definiert, sich automatisch für das bessere, das positiv bewertete entschliesst. 
Oder der Unfertige, der Vulgäre wertet das Negative um. Er bewertet "Krankes" positiv.
So wie eine Sitzengelassene Ehe und Ehepartner toll findet.
ich bitte um Entschuldigung, aber die Eheleute, die ich kenne, sind noch perversere Wracks, die andere zur Selbstdarstellung benötigen, als die, wo alleine einen draufmachen.

NEE.
Sollte ich aber.
Das ist Nietzeanischer Pomp.

Da ich in den letzten 15 Jahren - oder lass es 20 Jahre sein - mit Afrikanischen oder arabischen Spielern oder Franzosen versucht habe, deutsche Themen "anders" zu spielen -
deutsche Geschichte anders zu sehen als aus deutscher Innensicht und frühkindlicher Onanie -
hat mir in Deutschland KEIN Erfolg eingebracht.
Und das wiederum hat mir keine Sympathien bei meinen afrikanischen oder arabischen Spielern eingetragen -
LEISTUNG und Erfolg - dafür sind sie nach Europa gekommen.
Schlimm genug, dass sie sich bei einer minderbemittelten europäischen Kunstschlampe "präsentieren" mussten. Für den Kunstbetrieb sind authentische Geschichten und Erzählungen DER Afrikaner interessanter als meine RücknachDeutschland, meine : präpostkolonialistischen Übersetzungen.

Das ist nicht schlimm, für mich. Denken ist wie Beten…scheint mir. Ich würd nicht beten, um Geld dafür zu kriegen. Aber vielleicht gehört das zu meiner fegefeuerlichen ketzerischen Vorstellung von "Beten".
Man hat mir gesagt, bei anderen kommts auf die Anzahl der leerläufigen Gebete an. Je weniger Inhalt je öfter, desto besser.

Einer meiner Tonmeister ist der Ansicht, dass die RAUBRITTERmentalität der MIGRANTEN, die Morde und Betrügereien, die auf der Flucht ins WUNDERLAND vollbracht werden, sicherlich nicht zu einer respektvollen Art des Umgangs in dem kulturellen Aussenseiterbereich führen -
Er meint damit, dass mein Haus, und meine "Kunst"… wie das Bordell am Bahnhof stehen. Unterste Preisklasse, kurzes Vergnügen und Verschnaufpause, bevors in die bessere Liga geht.
Mein Künstler-ICH ist wie ein schmieriger Wirt in einem schäbigen Hotel für kaputtgeschlagene Köpfe, die sich drauf freuen, endlich den BMW zu fahren, den ich mir nie werde leisten können. Aber ich soll das Benzin zahlen (so geschehen vor 3 Tagen). I don't have teh money, Nataly, you have to pay it.

Mein Schweizer Tonmeister sagt: Klar, die zocken dich ab. Darum sind sie hergekommen.
Wir alle zocken einander ab. Und im untersten "Kultursektor" ist es am schlimmsten.

Diejenigen, mit denen ich noch in Kontakt stehe - sind der Ansicht, dass EUROPA untergehen muss - so eine Fernsehmoderatorin aber auch eine iranische Asylberaterin oder ein afroamerikanischer Intellektueller.
Europa und die europäische Kulturarroganz MUSS untergehen, weil sonst die Welt kaputtgeht.
So sagen sie mir.
Europa MUSS untergehen - und Frankreich geschieht es nur recht, wenn es eines Tages einen arabischen Präsidenten hat …
Ich sollte vorsichtig sein. Kulturpessimismus gilt als rechtsextrem. Zumindest könnte es dazu angetan sein, Befürchtungen zu schüren, die Metapher des Feuers und der Glut lässt mich stolpern.
Aber ist wirklich jemand noch traurig, weil das Römische Reich…?

"Es geschieht uns recht" und sie wundern sich über meine UNTERWÜRFIGKEIT. Meine Selbstverleugnung. Sie verstehen meine bereitwillige DEGRADIERUNG nicht. Wer sich nicht respektiert, nicht, den kann niemand sonst respektieren.
Wenn man dich eine Rassistin schimpft, dann zeig doch was du machst. So sagen sie.
Zeig, dass du mit Schwarzen arbeitest...

Was ändert das?

Warum?
Einer meiner afrikanischen Spielerinnen muss ich Beerdigungen zahlen. Alle zwei drei Jahre wieder, manchmal scheint mir, ist die Beerdigung es Vaters keine Beerdigung, sondern eine Fliessbandarbeit.Leichenfeier, Totenschmaus, Grablegung und Beerdigung, das ist ein langjähriger Prozess. Nicht so eine trostlose ZackErdedraufVeranstaltung wie bei uns.

Arbeiten und sein. Nicht. Ein verdammter Unterscheid.
Sie wissen genau, dass mein SCHULDBEWUSSTSEIN ein Fass ohne Boden ist. Ein wichtiger, prägender Teil meiner deutschen Identität.
ich habe mich schon oft gefragt, inwiefern man mir das ansieht. Trieft mir aus den Poren? Weil ich so verhuschelt bin? Kaum komme ich über die Strasse, so oft schlägst mich hin, deswegen schau ich so oft zwanghaft nach unten oder zwanghaft nach oben. Ich mag den Blick der Menschen nicht.
Aber als Theatermensch will man das ja gestuell. Sehen. Es muss Teilt es Habitus sein.
Es ist das Senkblei, das Gefühl und Intention steuert, unterirdisch wie ein dunkler Strom.

Masochismus pur.

Ich bin - und hier bin ich fast zum ersten Mal bereit - mich selbst zu definieren:
Ich bin eine Deutsche Europäerin,  die versucht arabische Wortbrocken in ihre faschistische Denkweise einzubinden. 
Allerdings benötige ich noch Sprachunterricht in allen europäischen Sprachen damit ich endlich lerne, wie es RICHTIG ausgesprochen heisst. Deutsche Denkstrukturen in die französische Sprache. Das ist faschistoid. 
Französische Verformungen im Englisch. Ein gedanklichimaginäres Italienisch. Und mein Kroatisch, damit kann man gerademal ein Aperol bestellen, wenn die Kellnerin an deutsche Touristen denkt während sie mich prüfend ansieht:
Doch immerhin: 
Sie finden HITLER toll.

Mein Haus steht momentan leer, es sind nur die alten Briefe und Dokumente drin, meiner Familie.
Eigentlich sollte ich endlich aufhören, meine schlechte und nichtbezahlte Kunst zu machen.
Ich sollte mein Haus kostenlos Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Vielleicht kann ich ja dann noch bisschen dumme Kunst "mit Flüchtlingen" machen und dann ist das Haus eh am Arsch.
Kann ich ein europäisches Haus haben, das nur mir alleine gehört?

Das Problem ist: ich weiss nicht mehr.
Ich bin mit Buchenwald beschädigt. 
ich glaube nicht mehr, dass Flüchtlinge, die soviel Mord und Totschlag miterlebt haben, nette Menschen sind. ich weiss auch nicht, warum wir für sie kämpfen sollen.
Natürlich bin ich gegen die Neonazis. Aber keiner meiner Spieler glaubt mir das.
Aber mein Haus, das schliessen wir so oder so.

Lieber Moussa,
Du schriebst "bevor ich vor Wut platze und mich Pegida anschliesse" - dabei wusstest Du doch schon vornherein, dass ich eine  bin, die von Faschisten abstammt. Moral vererbt sich nämlich.
Die Antifaschisten glauben noch viel erbitterter an die biologische kriminelle Vererbung als alle echten Nationalsozialisten.
Gehen wir zusammen nach HEIDENAU?
Schliesslich willst Du ja nicht nach Buchenwald. Meine afrikanische Korrespondentin findet die Idee, das Deutsche im KZ waren, geradezu absurd.
Geschah "uns"…"denen" vielleicht auch recht.
Meine jüdischen Bekannten und Nichtverwandten hingegen sind entzückt, In gewisser Weise ist BESTRAFUNG: konsequente juristische Bestrafung ist eigentlich das, was  dem Bild einer Deutschen guttut. Allerdings finden sie die Buchwald Auschwitz Sache eine Frechheit,: Ein Deutscher der für sich die VICTIM-Die OPFERSEITE beansprucht, ist ein Lügner. 
Das ist eine widerwärtige Usurpation.
Kannst Du aufhören, dich so permanent in den Vordergrund zu spielen. Halt die Fresse.

Kannst Du nicht mal für 90 Minuten die Fresse halten?
Die Spielfilmlänge bestimmt auch hier die Moral und die saubere Identität.