Nataly Ritzels Blog für Unüberlegtes, mit manchesmal widerwillig erzwungenen Weiterleitungen zu Pornseiten....
Sonntag, 23. August 2015
Mut dazu, ein kultureller VERSAGER zu sein.
Die Badische Zeitung hat einen eindrücklichen Artikel zur Armut von Schauspielern veröffentlicht.
Dem will ich garnicht widersprechen.
"Wenn die Branche ächzt und der Glamour erlischt, merkt der Zuschauer lange nichts. Sobald die Misere aber allgemein bekannt wird, droht ein hässlicher Effekt: Schauspieler wirken schöner, witziger und stärker als wir. Doch wie glaubhaft ist der Schurke im Maserati, wenn die Zuschauer wissen, dass sich der Schauspieler im echten Leben nicht mal dessen Reifen leisten könnte? Wie überzeugend wirkt die arrogante Schöne, wenn sie in der Realität die Existenzangst quält?"
Mit so manchen Spielern bin ich erst Essen gegangen, bevor ich ihnen meine unlesbaren Texte vorgesetzt habe. Und oft muss ich, weil ich mir keinen Catering-Service leisten kann, zwischen Proben und Set-Vorbereitung, neben Kabelsuchen und Lampenaustauschen noch schnell was kochen -
und wenn mein Team grosszügig ist, sagen meine toleranten Mitarbeiter: "Hier ist Free Style angesagt"…
oft genug schimmert durch, was sie eigentlich denken: dass das eh nichts wird. An dem verstohlenen Grinsen all derer, die nicht mit hingreifen, weil ihre Konzentration nicht zwei Sachen zugleich denken kann, oder dem gelangweilten Gähnen derer, die prinzipiell nur das tun, wofür sie bezahlt werden:
Dass das der schlechteste Dreh ever war und ich sehe genau, dass sie sich schwören: HIER? NIE wieder!
Dann denke ich an alle Erzählungen von Godard und Anne Karina, an Bilder von Fassbinder-Sets
vom "Wohnen im Bild" - wenn ich fassbinder goethisch verhauen darf - von Gruppentortur und manchmal auch denke ich an einen halb vergessenen Patty Smith, aber weil ich's mit Patty Smith Songs nicht so hab, mache ich eine Flasche WEIN auf und
sag mir: "welch tolle Erfahrung, Euch ausgehalten zuhaben!"
Den Sarkasmus merke ich mir selber an, denn ich muss mir Mut zu trinken, denn Kunst machen heisst immer wieder ganz am Anfang stehen, der Vorurteile, des Missmuts, der condition humaine
und das heisst auch, immer wieder mit nassen Füssen Knien am Rande des Wassers zus tehen, bevor man wieder zaudernd hineinsteigt.
Doch der Artikel in der badischen Zeitung, zwar fast am End angelangt, schiebt noch einen Satz hinterher, den ich heute Nacht wieder und wieder lese:
"Die wohligen Illusionen zerbrechen, sobald Schauspieler als Verlierer und Sozialabsteiger wahrgenommen werden."
Aber es kommt darin eine Einstellung zum Ausdruck, die sich in Freiburg, der ländlichen wohlhabenden Idylle viel stärker zum Ausdruck bringt als in einer Großstadt.