Claude Landmann, der in seinem Film " Shoah"
eben auch die Abwesenheit, die Leere eines Platzes zu zeigen imstande war.
"Man kann sich das nicht vorstellen, aber das war hier..." so oder ähnlich konnte ein alten Mann hilflos, oder lächelnd, in die Kamera sagen hören, und wurde als eine Filmsequenz weitergegeben, die einen alten, kaum verständlich sprechenden Mann vor einer in der Sonne flirrenden Wiese zeigte -
meine Erinnerung, die eine flüchtige ist, denn damals war ich ein junges Mädchen, eine junge Frau, die den Film sah..
manche Bilder sieht man aus den Augenwinkeln, nicht, und manche graben sich ganz falsch ins Gedächtnis.
Aber Filme mit Bildern zu beschreiben, die sich in der Augenhöhle meiner Erinnerung an die Wand gegraben haben - ist eben ein unsicheres Procedere.
Zeitzeugen, das waren bei Claude Landmann Menschen, die versuchten, etwas zu zeigen, das nicht recht zu sehen war -
und es trifft sich mit der Schwierigkeit, das SICHTBARE des Holocausts, der für Deutsche doch angeblich so unsichtbar war, zu zeigen.
Das Problem sich verändernder Orte, Schauplätze, die nicht mehr von Leichen bedeckt sind, Öfen, die leer sind...trifft sich mit dem Problem des Hinsehens und des NICHTHINSEHENWOLLENS.
Die leere Struktur des OBJEKTIVEN Erzählers. die NICHT von metaphorischen Stricken "Wenn es denn möglich wäre ", noch von " ich habe nichts gesehen" oder von "aber ich weiss, was ich gesehen habe" in eine wertende Interpretation gezogen werden.
Doch selbst die Zeitzeugen, die als Garant der Objektivität gelten - brauchten Erinnerungshilfe, " Inszenierung " und es braucht oft einen äusseren Anstoss, einen Druck, damit ein : sagen wir: ein BEOBACHTENDER zu einem ZEUGEN wird.
Ein Interview auf Arte, Frühjahr 2016, ausgestrahlt, zeigte Landmann, der erklärt wie er den „kleinen Frisör“ dazu brachte, zu erzählen, was er unter dem Diktat der deutschen Nazis tun musste.
Da der Berliner Tagesspiegel ausführlich den Dokumentarfilm über Lanzmann besprochen hat, erlaube ich mir, wortfaul und kritikmüde wie ich bin, ihn zu zitieren.
"Lanzmann schonte auch die überlebenden Opfer nicht. In zum Teil quälenden Gesprächen brachte er sie dazu, sich den Erinnerungen zu stellen. In Benzines Film wird dies am Beispiel von Abraham Bomba deutlich. Bomba war Friseur und musste in Treblinka den Frauen, bevor sie in die Gaskammer gingen, die Haare abschneiden.
Lanzmann entschied, dieses Interview mit Bomba in dessen Friseurladen in New York zu führen. Dies sei keineswegs ein sadistisches Spiel gewesen, erklärt er. „Ich war sein Bruder.“ Doch im Dienste der Aufklärung bedrängte Claude Lanzmann den Friseur so lange mit Fragen, bis Bomba die Fassung verlor. „Bombas Tränen waren für mich so kostbar wie Blut – der Beweis für die Wahrheit“, erklärt Lanzmann."
Berliner Tagesspiegel
Nun könnte man, vielleicht voreilig, daraus schliessen, es sei ein Problem von "Wahrheit", das über die filmische Inszenierung und Orchestrierung von ZEUGEN entscheidet.
Problematisch - und ich denke, das steckt hinter der Argumentation des Spiegels:
ist:
Gleichzeitig bestätigt sich hier, dass Nemes nicht nur bildlich, sondern auch inhaltlich einen merklich verknappten Ausschnitt vom Holocaust zu bieten hat. Er kann die Darstellungen aus anderen Filmen im besten Sinne ergänzen, doch ohne ihren Kontext fällt sein Film auseinander. Lanzmanns "Shoah" stellt dabei die wichtigste Klammer dar, die "Sauls Sohn" zusammenhält. Motive wie den aktiven Widerstand der Juden gegen ihre Vernichtung sind bei ihm nicht nur überaus prominent herausgearbeitet. Wie Richard Brody im "New Yorker" aufgezeigt hat, sind einzelne Akte, etwa das jüdische Begräbnis eines Mannes, der im Warschauer Getto gestorben war, durch seine Ehefrau, direkte Inspiration für die Geschichte von "Sauls Sohn" gewesen."
Die Leere des Objektivs - banal, nicht, was filmte ein eine Kamera, die sich selbst überlassen ist, garnichts. Und in der Leere des Objektivs steckt, so meinen wir, die vornehme Leere der Objektivität.
Leere und
die Abwesenheit des Zeugen - die den Filmemacher dazu zwingt, auf andere ZEUGENAUSSAGEN zu verweisen - in einer absurden Spirale und
in einer schieren chronologischen Unabwendbarkeit der wenigen, die immer weniger werden und von denen es irgendwann keine mehr gibt.
"Man muss deshalb nicht Nemes' Film als "KZ-Kitsch" abtun, um doch wieder bei "Shoah" als endgültigem Film über den Holocaust anzukommen. Es war wahrscheinlich auch im eigenen Interesse, dass Lanzmann "Sauls Sohn" seinen Segen gegeben hat."
Spiegel
Der oder die Artikelschreiberin, auffallend mir selbst wie unwichtig die Person der Rezensenten ist, fast so, als wäre die schiere Zahl der Rezensenten das Wesentliche, worauf es ankommt:
und anonym ihr Bild von Auschwitz.
Denn auch dafür steht Auschwitz
kunstvoll arrangiert nur auf der Tonebene - so beschrieb es der Kolumnist von Konkret
die Guckkastenbühne die Kleinstausschnittssicht -
der "merklich verknappte (n) Ausschnitt vom Holocaust".
Der Sog, den der Film SON Of SAUL entwickelt, die Dichte
in der es eben keine Leichenberge gibt.
Sorry, ich habe in diesem Film keine Leichenberge gesehen. Sicherlich mein deutsches Fehlverhalten.
Ich habe eine Inszenierung des WEGSCHAUENS gesehen, ein JOCH, einen Film, der mit Scheuklappen agiert.
In diesem Sog ist - ganz für mich allein - SON OF SAUL als Film selbst vom Hinschauverbot geleitet, der uns zwingt nur das Gesicht, den Rücken, die Bewegungen des Saul zu begleiten.
Es ist - ganz für mich allein - ein Film über uns. Von daher ist es richtig, das ädre Hauptdarsteller kein authentischer Zeitzeuge ist, sondern nur ein Schriftsteller. Nicht mal Schauspieler.
Doch dieses Individuum, dieses Subjektive - Täter und Opfer der Sonderkommandos zugleich, die er spielt - tut er das?
vollbringt Bewegungen, die manchem Rezensenten als absurdes Herumirren erscheint.
Die Metaphorik des Raumes
Landschaft
damit verbunden sind, dass "Sehen" wie "Landschaft" durch etwas anderes gebunden sind
dass "Topoi" - hätte Paul Celan vielleicht gesagt
dass TOPOI ...Begroffe wie Orte, ums ganz plump und cailleux: steinig zu formulieren
religiös aufgeladen werden.
DER GRÜNDUNGSMYTHOS und das ABBILDVERBOT.
Ich bin versucht, denn ich argumentiere immer noch gegen die Annahme, ein DOKUMENTARTHEATER sei AUCH ästhetischen wie objektiv-neutralen Kriterien verhaftet:
als ob das "Oratorium" nicht ein ästhetisierender Versuch einer DARBIETUNG gewesen wäre.
Ist das Wort ORATORIUM nicht Hinweis auf eine christliche PARABEL?
Aber wir reden nicht von religiösen Vornahmen, wenn wir von einem Abbildverbot sprechen.
Die religiöse Dimension des "SON OF SAUL" scheint einzig in der übersteigerten Form des Subjektiven.
Der Tagesspiegelrezensent, der sich immerhin die Mühe gab, zwischen den Dokumentarfilmen Lanzmann und Ophüls - dessen "Hotel Terminus" in diesen Jahren erschien - zu vergleichen, schob noch folgende Erklärung von Max Ophüls hinterher:
"Claude Lanzmann, erklärt Ophüls, sei „größenwahnsinnig“, und „Shoah“ sei zwar ein „Meisterwerk an Persönlichkeit“, aber nicht unbedingt ein filmisches Meisterwerk."